Gemeindechronik Auszug 1945

Erlauf und Erlaufer erinnern sich........

Auszug aus der Gemeindechronik 1945

Der Tag des Sieges in Europa VE-Day.

Die Nachricht Nr.6 am Morgen des 7. Mai lautete folgendermaßen:
"Folgende Nachricht wurde um 071050 B vom XX.Corps (Oberstleutnant Dungan George), 3. Abteilung TP CLN, erhalten: Das deutsche Oberkommando unterzeichnete ein Übereinkommen bedingungsloser Übergabe der Land-, See- und Luftstreitkräfte um 070141 Uhr. Die militärischen Operationen werden um 09001 Uhr eingestellt. Sofort bei allen Truppenteilen Uniform jeglicher Bewegungen und aktiven Operationen auch beim Eintreten des Falles, dass die Verbindungen so schlecht sind, dass wahrscheinlich kleinere Unternehmungen seitens des Feindes möglich sind und wir weiterhin in der Verteidigung bleiben müssen.
Die Signalese übersetzte Nachricht sagt, dass die 65. Division telefonisch vom Hauptquartier des 20. Korps verständigt wurde, dass am 7. Mai um 10.50 Uhr das deutsche Oberkommando die bedingungslose Kapitulation unterzeichnet hat. Die Bedingungen treten am 9. Mai um 00.01 Uhr in Kraft.
Auszug aus der Gemeindechronik 1945.

E N D E !


Bild von 2 Offizieren  

Das Treffen der allierten Truppen aus amerikanischer Sicht - ein Beitrag erschien im National Observer im Mai 1965 - in auszugsweiser Wiedergabe (übersetzt von Marie Therese Kainzner)

Im Siegestaumel obsiegt die Brüderlichkeit
Von John J. Pullen, Captain
....
Das Hauptziel der Konferenz auf der Straße war, General Reinhart`s Trupp zum Treffen mit den russischen Generälen zu begleiten. Als der Trupp ostwärts eilte und es immer später und später wurde, glaubten viele von uns, wir würden nach Wien vorrücken, da normalerweise eine große Entfernung zwischen Front und Hauptquartier liegt.
Schlussendlich, 5 Meilen von Enns entfernt, hielten die Wagen in einem kleinen Ort an, wo, wie die Begleiter sagten, der russische Divisionsgefechtsstand untergebracht war.
Es war bereits stockdunkel. Als wir die Straßen runterstolperten wurden wir durch einen ungeheuren Lärm und Geklapper hinter uns aufgeschreckt. Der Lärm kam von einem russischen Wagenzug der gerade in vollem Galopp in den Ort eingefahren kam. Hochrangige amerikanische Offiziere sprangen in den Straßengraben und pressten sich an Mauern, als verschwommen, schnaubende Pferde und surrende, lärmende Wagenräder in der Dunkelheit vorüberrasten. Es dauerte ein paar Sekunden bis sich die Gruppe wieder gesammelt hatte, durcheinander wie sie war von der aufregenden Begegnung. Schließlich marschierten wir in den russischen Kommandoposten, einem kleinen Haus im Zentrum des Ortes.
Der Raum den wir betraten war so klein, dass ihn die Gruppe fast vollkommen ausfüllte. Hier, in einer Ecke zurückgezogen und offensichtlich überrascht von der Flut an Alliierten, saß General Major D.A. Drechkin, Kommandeur der 7. Garde Fallschirmspringer Division.
Es stellte sich heraus, dass bei den Vorbereitungen etwas schief gelaufen war, denn er hatte uns nicht vor dem Morgen erwartet. Aber unser Gast erholte sich schnell von seiner Überraschung. Sessel wurden hereingetragen und ein russisches Mädchen in Uniform nahm uns unsere Helme ab.
General Drechkin reagierte reserviert und sehr förmlich als General Reinhart seine Hand schüttelte und sagte: "Ich freue mich Sie hier zu treffen!" Er blickte sich im um und sah den
Raum, voll von amerikanischen Soldaten, deren Gesichter so schmutzig waren, dass man nur die Zähne und das Weiß der Augen ausmachen konnte. Aber sie alle grinsten von einem Ohr zum anderen. Da begann auch General Drechkin zu lächeln. General Reinhart schaute zufällig auf seine Armbanduhr und sah, dass die Zeiger genau eine Minute nach Mitternacht anzeigten.
"Der Krieg ist vorbei !" rief er.
General Drechkin streckte seine Arme in die Höhe, dann drückte er General Reinhart in einer bärenhaften Umarmung an seine Brust und küsste ihn auf seine beiden Wangen. Daraufhin tobte der Raum. Das Gesicht von General Reinhart lief leicht rosarot an. General Drechkin trat zurück und entgegnete redegewandt etwas zu General Reinhart. Später stellte sich heraus dass er etwas wie " Ich mag ihren Haarschnitt" gesagt hatte.
Der russische General war ein Charakterkopf. Er war groß und beliebt, und hatte ein sicheres, humorvolles Gesicht, in etwa so wie das eines erfolgreichen und gut genährten Geschäftsmannes. Er hatte ein besonderes Lachen. Es begann, stoppte und rollte dann unerwartet weiter, etwa wie wenn ein Fass die Stiegen hinunterrollt, auf den Absätzen liegen bleibt und dann wieder weiter rollt.
Manchmal wirkte er teilnahmslos, aber im nächsten Moment wirkte er wie ein 5-Jähriger mit einem Lutscher. (Bei einem späteren Treffen in Linz sah ich ihn einmal alleine eine Stiege hinuntersteigen, während er sich ein Lied pfiff). Die Atmosphäre des Treffens, war geprägt von großer Freundschaft. Das blitzende Lächeln eines russischen Offiziers strahlte wie polierter, makelloser Stahl.
Es gab ihm das Aussehen eines wandelnden Leuchtturms, als er sich durch den Raum bewegte. Es gab eine kurze Diskussion, wo die Grenze zwischen den russischen und amerikanischen Truppen verlaufen sollte, man einigte sich schnell auf den Fluss Enns. Kurze Zeit später sagte der General Reinhart zum russischen General "Ich habe bemerkt, ihr habt viele von Pferden gezogene Transportmittel in euren Reihen."
Als es übersetzt wurde, gab es General Drechkin einen Stich, er erwiderte gewandt: "Ja, aber trotzdem haben auch wir die Deutschen geschlagen." Dann, als hätte er eine Schwäche der russischen Armee verraten, versuchte er den entstanden Eindruck abzuschwächen: "Wir haben diese Pferde mit Absicht mitgenommen. Sie sind sehr nützlich bei Schlamm."
Etwa eine halbe Stunde später nach dem wir angekommen waren, wurde die Menge der am Eingang Wartenden wachgerüttelt, denn der russische Corps Kommandeur General Leutnant J. H. Biryukov erschien. Er war die Titelblattversion eines russischen Generals- groß und ordensgeschmückt, mit rundem, kurz geschorenem Kopf. Er packt General Reinhart an der Schulter und rief so etwas ähnliches wie "lang lebe die ehrenhafte amerikanische und Rote Armee!" Dann bot er General Reinhart eine Zigarre an, welche dieser dankend ablehnte. Noch mehr wurde gesprochen und schließlich wurde erklärt, dass General Reinhart sieben russischen Soldaten die "U.S. Legion of Merit" - Medaille verleihen wollte.
Inzwischen huschte das russische Mädchen in Uniform aus dem Raum hinaus - und wieder hinein, Geschirr, Tischtücher und Besteck bringend. Schlussendlich gelang es ihr einen Tisch zu decken und wir setzten uns zu einem kleinen, späten Imbiss. Jeder war sich bewusst, dass dies ein bedeutsames Zusammentreffen war, mit zwei Kommandeure, die sich die Hände schütteln just in dem Moment, in dem eine der größten militärischen Operationen geendet hatte. Die Zeit des Treffens wurde mit 00:01 festgehalten, am 9.5.1945. Aber der Ort war nicht bekannt. "Wie heißt dieses Dorf?" fragte einer der eine Offizier einen anderen. Dieser antwortete: "Ich weiß es nicht. Lass uns die Russen fragen." "Welches Dorf ist das hier?" wurde ein russischer Offizier durch einen Dolmetscher gefragt. Der Russe dachte kurz nach, schüttelte dann aber den Kopf. Er fragte einen anderen, doch keiner wusste es. Später, auf dem Weg nach Hause, hielten wir außerhalb des Ortes um das Ortsschild zu lesen. Darauf stand "ERLAUF".
So war es, als wir den Russen begegneten. Und jetzt, nachdem schon einige Zeit vergangen ist, glaube ich, dass alle die anwesend waren sich weniger an die Zeremonien erinnern, als an das erste Treffen innerhalb der russichen Linien auf dem Weg nach Wien. In Erlauf wurde während der ersten Stunden des 9.5.1945, wie so oft unter Einfluss von Gemütlichkeit die Grundlaget für ein menschliches Miteinander geschaffen - so fühlten wir es in unserem Herzen, klar und deutlich wie die Sterne am Himmel dieser Frühlingsnacht.